In der Schule haben sich einfach die Wertigkeiten verschoben, angepasst an die veränderte Familien-, Medien- oder sonstwie-Landschaft. Früher schrieb man von der Tafel die Arbeiten ab und schaffte das Rechnen auch in der Zeit. Heute bekommen die Kinder Zettel mit den Aufgaben und haben Schwierigkeiten, nur die Rechnungen allein in der Schulstunde zu schaffen. Früher lernten wir Druck- und Schreibschrift, hatten zusätzlich noch Schönschreibunterricht und kannten sogar die Deutsche Schrift. Heute kann man froh sein, wenn die Druckschrift der Schüler einigermaßen zu lesen ist, denn eine Schreibschrift müssen sie nicht mehr lernen. Früher lernten wir ellenlange Gedichte auswendig, heute sollen die Schüler zu irgendeinem banalen Thema eine Präsentation (Mappe, Plakat, Minivortrag) erstellen. Wir kannten Lexika, die Bibliothek, heute steht in jedem Klassenzimmer ein Computer. Es ist einfach anders geworden in der Schule, allerdings haben meiner Meinung nach die grundlegenden Techniken wie Kopfrechnen, Rechtschreibung usw. einen viel zu geringen Stellenwert. Ein Schüler, der früher eine 5 in Rechtschreibung hatte, kann heute durchaus das Abitur bekommen, denn Rechtschreibung wird mit nur 7% der gesamten Deutschzensur bewertet. Da kann etwas nicht stimmen.
Ob es sinnvoll ist, einem Grundschüler, der kaum seine eigene Sprache beherrscht, Englisch beibringen zu wollen, wohlgemerkt als zensiertes Pflichtfach, auch darüber könnte man streiten. Man will und muss sich irgendwie der Zeit anpassen, nur hat man, so denke ich, das richtige Maß noch nicht gefunden. "Schule soll Spaß machen" ist heute die Devise, nur leider ist 1. das Leben auch nicht nur spaßig und 2. benötigen einige Kinder auch ein gewisses Maß an Druck, Kontrolle und Bewertung, weil sie sonst vor lauter Spaß gar nichts lernen wollen.
Ich darf im Handarbeitsunterricht, das gilt auch für Kunst und Werken, keine 5 und möglichst auch keine 4 geben, denn dann wäre ja für die Kinder der Spaß und die Freude weg. Also bekommt ein desinteressiertes, faules und aufmüpfiges Kind eine 3. Ist das okay und gerecht gegenüber den andern? Unser Schulsystem ist meiner Meinung nach kaputt reformiert worden. Aber wer will das schon zugeben? Wir Lehrer, als "faule Säcke" bezeichnet, werden mit so viel organisatorischem Unsinn beschäftigt, dass unser eigentlicher Beruf, oder besser gesagt unsere Berufung vor die Hunde geht. Dass in allen Bundesländern Lehrer fehlen, dass Hessen z.B. Lehrer aus anderen Bundesländern mit großartigen Versprechen anlockt, dass wir in 20 Jahren nur noch die Hälfte Lehrer haben werden, wundert mich nicht.
Nichtsdestotrotz denke ich, obwohl ich ein etwas altmodischer Lehrer bin, dass noch etwas zu retten ist. Ich gebe nicht auf, meinen Schülern viel von dem zu vermitteln, was ich gelernt habe und was mich vorwärts gebracht hat, auch wenn das nicht alle jungen modernen Eltern begreifen. Viel wissen und viel können hat noch keinem geschadet, auch nicht auf dem Gebiet der feinmotorischen Fähigkeiten wie sie im Textilunterricht geübt und verbessert werden. Und auch die Freude an der Herstellung von Selbstgemachtem will ich weiterhin versuchen meinen Schülern rüberzubringen, wenns auch heutzutage nicht so leicht ist. Übrigens, ich hatte gestern mein 40jähriges Dienstjubiläum. Ich denke, da weiß ich schon, wovon ich rede.
LG
Nate